8. Januar 2017, 14. Tag, Mostaganem – Valencia - Almeria, km 4292
Die Überfahrt nach Europa verlief ohne Probleme, und wir kamen fast pünktlich in Valencia an. Als eines der ersten 10 Fahrzeuge verließen wir das Schiff, und wir waren schon siegessicher, dass wir die Einreisekontrollen nach Spanien schnell passieren konnten. Doch dann wurden wir noch auf dem Kai von einem Sicherheitsbeamten herausgewunken. Er konnte kein Englisch, kein Französisch und wies uns an auszusteigen. Dann kam sein Hund und „durchsuchte“ unser Auto nach Drogen. Er war nicht angeleint, sprang durchs Auto und auf den Kotflügel des Anhängers. Ich war begeistert und malte mir aus, wie ich auf eine solche Aktion in Deutschland reagiert hätte. Willkommen in Europa!
Die eigentliche Pass- und Zollkontrolle verlief recht entspannt, außer dass wir natürlich nun rund 30 Fahrzeuge vor uns hatten. Auch hier konnte kaum einer Englisch, und auch dieses Mal mussten wir den Kofferraum an der EU-Außengrenze Süd nicht öffnen.
Anschließend brachte ich Stephan zum Flughafen, den wir recht schnell erreichten. Valencia war an diesem Sonntagmorgen wie ausgestorben und daher kaum Verkehr. Auch wenn Stephan nun noch gut sechs Stunden bis zum Start des Fliegers hatte, machte ich mich auf den Weg. Vor mir lagen mehr als 450 km durch die Berge Spaniens. Zuvor jedoch nahm ich die Gelegenheit wahr die Vorräte aufzufüllen. Ein großer Carefour hatte geöffnet und so deckte ich mich erst mal ein. Die Biervorräte waren am Ende, Brot, Aufschnitt und ein paar Dosen. Und selbst Böklunder Würstchen gab es.
Der Trabi marschierte gut über die zwar schönen aber sehr kargen Höhenzüge Andalusiens, und durch die gefühlt alle 5km vorhandenen Tankstellen war die Spritversorgung gesichert. Es waren nur wenige Touristen unterwegs und nach dem vielen Gehupe und Gewinke in Algerien war die Fahrt sehr entspannt. Und auch die wenigen deutschen Überholer zeigten keine Reaktion – typisch Deutsch eben.
Ich erreichte den Fährhafen von Almeria um 18:00 Uhr, konnte gleich einchecken und stellte mich in die Reihe. Viel los war nicht, und so machte ich mir erst einmal ein vernünftiges Sandwich. Dann wurde das Dachzelt aufgebaut und ich zog ein. Meine erste Nacht im Dachzelt auf dieser Tour, mit eigener Bettwäsche, war nicht zu kalt. Dank Ohrstöpsel eine perfekte Nacht, bis mich mein Handywecker morgens aus dem Schlaf holte.
9. Januar 2017, 15. Tag, Almeria – Mellila - Missout, km 4784
Auf der Fähre war wirklich gar nichts los, nur eine Hand voll Autos waren an Bord und ein paar Fußgänger. Ich würde maximal 80 Personen schätzen. So ging es mit der „Nissos Chios“ bei ruhiger See nach Melilla. Da es sich dabei um eine der beiden spanischen Enklaven in Nordafrika handelt, waren weder Zoll- noch Passkontrolle erforderlich. Ich befand mich dann in Melilla ja noch innerhalb der EU.
Melilla wird auf Grund der abgeschiedenen Lage ein wenig vom Staat unterstützt, und so war der Benzinpreis mit 91,9 Cent für europäische Verhältnisse unschlagbar günstig. Sogar günstiger als in Marokko, wo ca. 1,05 Euro aufgerufen werden. Also habe ich den Tank voll gemacht, allerdings nicht die Reservekanister. Sie hätte ich bei der Einreise verzollen müssen. Und dann ging es ab in Richtung marokkanische Grenze.
Ich kam nicht weit, denn in Melilla ist die Hauptstraße zur Grenze eine Baustelle. Und so verbrachte ich für 3 Kilometer erst mal eine halbe Stunde im Stau. Erst dann erreichte ich den 6 Meter hohen Zaun, der Melilla umschließt. Am Grenzübergang war das komplette Chaos. Tausende von Menschen wollten die Grenze passieren. Die Marokkaner kamen zum Einkaufen nach Melilla und schleppten dann schwer bepackt meist zu Fuß die Sachen wieder zurück. Dazwischen Autos, deren Allgemeinzustand schon das Passieren der Grenze in Frage stellen würde. Alles wild durcheinander. Fußgänger auf der Fahrbahn, Mopeds und dazwischen die Schlepper.
Die Ausreise aus Europa habe ich eigentlich gar nicht wirklich
mitbekommen. Ich fuhr einem Spanier hinterher und wunderte mich, dass ich an einer langen Schlange wartender PKWs einfach so vorbeifahren konnte. Ich hatte die richtige Schlange erwischt, die für
EU-Bürger vorgesehen war. Pass in ein Häuschen schieben und sofort ging es weiter. Im marokkanischen Teil angekommen nahm sich ein Schlepper meiner an. Er winkte mich an einem Kontrollposten vorbei
auf einen seitlichen Parkplatz. Hier stand auch der Spanier, so dass ich mich richtig wähnte. Dann ging er mit mir zum ersten Häuschen. Auf dem Knie füllte ich das Einreiseformular aus, und keine 7
Minuten später hatte ich die Passkontrolle passiert. Dann ging es zum Zollhäuschen, das nicht hinter der Passkontrolle war, sondern in der Spur daneben. Warum auch immer, aber mit dem Auto hätte man
nie beide Häuschen anfahren können. Die Zollbeamtin strahlte absolutes Desinteresse aus - bei dem Chaos an der Grenze (für Insider auch „GüSt“) auch verständlich. Ich hätte keine Lust, hier zu
arbeiten.
Die Herausforderung war mal wieder der Anhänger, den ich richtig ins Dokument einzutragen hatte. Schlussendlich füllte mein Schlepper für mich das Formular aus (er sprach Französisch und Englisch)
und sicherte sich immer wieder bei der Beamtin ab. Auch hier ging alles recht schnell, wenn auch undurchschaubar. Mein Schlepper sprach irgendwann einen Beamten vom Zoll an, der dann widerwillig zu
meinem Auto mit uns ging. Da erfolgte dann die Kontrolle. Ich musste den Anhänger öffnen, die Kisten ein wenig hochnehmen, und dann wurde mein Zollschein abgestempelt. Den Kofferraum habe ich wieder
nicht geöffnet. Man muss nur einfach ruhig bleiben in dem ganzen Chaos, irgendwie klappt es dann am Schluss doch. Nach kurzer „Verhandlung“ mit dem Schlepper gab ich ihm für seine Dienste 5 Euro;
ohne ihn hätte die Prozedur sicher viel, viel länger gedauert, und er hatte sich das Geld wirklich verdient. Dann kamen noch zwei weitere Kontrollen, und ich konnte durch das große eiserne Tor nach
Marokko einreisen.
Das Chaos ging in der Grenzstadt weiter, und ich beschloss, erst mal diese und auch Nador hinter mir zu lassen. Das war nicht so einfach, denn an einer Baustelle stockte es. Vor mir reihte sich die komplette Mercedespalette (es gibt vom /8 über den W123, W124 bis zum 190er alles hier) langsam ein, bis ich plötzlich einen kleinen Schubser bekam. Ein LKW hatte mich übersehen… Da ich nicht auf der Bremse stand, war aber nichts passiert. Afrikanisch gelassen ging es weiter. Keine 15km später war ich plötzlich allein und machte erst mal eine Pause.
Weiter ging die Fahrt, und ich wurde von einem Fahrzeug angeblinkt. Die Polizei ist hier recht eifrig mit Laserpistolen unterwegs,
und der Spanier von der Grenze war leider zu schnell. Ich konnte passieren muss aber zugeben, dass aufgrund der Steigung viel mehr als die erlaubten 60 ohnehin nicht möglich gewesen wären.
Meine ursprüngliche Planung, nach Fes und Casablanca zu fahren, hatte ich, nachdem Stephan mir einige Tipps gegeben hatte, verworfen. Ich wollte nun wirklich in Richtung Wüste und daher nicht von
Casablanca kommend nach Marrakesch, sondern über das Atlas-Gebirge. So fuhr ich zunächst in Richtung Taourirt und dann weiter über die nagelneue Autobahn (mit Maut) nach Guercif. Die Straßen waren
gut ausgebaut und ließen sich perfekt befahren. Die Landschaft wurde karger, weiter und auch menschenleerer.
In Guercif schwenkte ich in Richtung Süden, und was dann folgte, waren 160km Steinwüste in den Bergen. Kaum noch Menschen waren zu sehen, und die Straße zog sich manchmal kilometerlang schnurstracks gerade aus. Das Land war durchzogen von tiefen trockenen Flusstälern. Man kann sich vorstellen, welche Wassermassen hier bei Regen herunterkommen, da der steinige Boden kaum Wasser aufnehmen kann.
Parallel lieg eine ehemalige Eisenbahnstrecke, von der noch der ein oder andere Hochbau und die Trassierung zu erkennen war. Und
auch eine Brückenbaustelle passierte ich, auch wenn es da so aussah, als würde einfach keiner mehr daran arbeiten.
Hin und wieder gab es Olivenplantagen, Schafe knabberten das letzte Grün ab, und Esel taten ihren Dienst und schleppten u.a. Wasserkanister oder Karren. Es war Marokko wie aus dem
Reiseführer.
Die Straße zog sich hin, und plötzlich ging die Sonne unter. So erreichte ich mein Etappenziel Missour erst in der Dämmerung, konnte aber das Hotel dank der GPS-Koordinaten im Reiseführer schnell finden (Straßennamen gibt es hier eigentlich nicht). Im Hof des Hotels konnte ich nun übernachten, und für 100 Dinar wird auf mich aufgepasst, und die Toilette (oder was man so nennt) darf ich auch benutzen.
10. Januar 2017, 16. Tag, Missour - Merzouga, km 5125
Die Nacht war kalt, sehr kalt. Morgens waren die Scheiben des Trabis gefroren und das Thermometer zeigte trotz der Sonne erst 1,5 Grad an. Ich hatte von den netten Schweizern, die ebenfalls dort campierten, einen kleinen Heizlüfter bekommen, so dass es einigermaßen ging. Allerdings war mein Kopf immer zu kalt, so dass ich beschloss die nächste Nacht mit Mütze zu verbringen.
Leider war auch die Morgentoilette nur mit kaltem Wasser möglich, so dass sie entsprechend kurz ausfiel. Dann gab es erstmal einen starken Kaffee, und die Schweizer gaben mir noch Tipps für die Weiterfahrt.
Am Ortsausgang hatte ich dann die erste Polizeikontrolle, die wie gewohnt freundlich und interessiert über die Bühne ging. Man begrüßte mich mit Handschlag, wollte stets nur etwas über das Auto wissen, und Papiere musste ich in der Regel nicht zeigen. Und auch mit der Laserpistole wurde wieder an diesem Tag mehrfach gearbeitet. Die Marokkaner warnen sich aber schon vorher per Lichtzeichen, so dass man stets gemütlich in die Kontrolle fährt. Es ging weiter durch die Steinwüste, hier und da ein Haus oder eine Ruine. Verlassene Lehmgebäude, bei denen keiner das Alter dieser Ruinen schätzen mag. Und auch die hier im Winter campierenden Störche habe ich gesehen; sogar eine Moschee hatten sie in Beschlag genommen. Allah wird es verzeihen.
Der nächste Streckenabschnitt wurde allerdings zur Herausforderung für den Trabi. Zum einen ging es stetig bergan, und es kam die dünne Luft dazu, denn ich befand mich auf einem Hochplateau von über 1000 Metern. Und dann war da noch der Wind. Es blies extrem von vorn, so dass ich lange Strecken, und damit meine ich 20 Kilometer und mehr, im dritten Gang mit 60km/h bewältigen musste. Der Trabi quittierte die Quälerei mit einem Verbrauch von fast 9 Litern.
Vor dem großen Anstieg über den ersten Höhenzug des Atlas-Gebirges tankte ich an einer Tankstelle im Nichts und wollte eigentlich eine Pause machen. Es ging aber nicht, denn es stürmte dermaßen, dass überall Windhosen ihr Unwesen trieben. Gemütlich war was Anderes. Also rauf auf den Berg.
Den teils schneebedeckte Pass Col Tizi Ntalghaumt mit einer Höhe von 1907 Metern wurde bezwungen (zur Erinnerung: der Brenner hatte nur 1370), und ein wenig war der Wind nun auf meiner Seite. Er blies tüchtig von hinten. Dann ging es auf der anderen Seite wieder hinab. Öde und menschenleere Täler, plötzlich ein Ort und dann wieder ganz viel Nichts. Das änderte sich erst im Tal der Ziz, einem der wenigen Wasser führenden Flüsse zu dieser Jahreszeit. Und unten im Tal waren dann grüne Oasen. Palmen, Oliven und auch Ackerbau war dort möglich. Keine 10 Meter höher gab es nur noch Steine. Ich fuhr durch die Ziz-Schlucht, dann eine Steigung hinauf, und plötzlich lag vor mir ein riesiger Stausee. Es gab nur zwei Farben: Das Rot der Felsen und das Blau des Wassers. Was für Kontraste!
Als ich die Fotos vom Stausee machte, hielt plötzlich ein Taxi. Der Fahrer und der Fahrgast stiegen aus und sprachen mich an. Was folgte, war ein kurzer Versuch einer Unterhaltung auf Französisch, ein Fotoshooting mit meinem Auto und zwei zufriedene Marokkaner. Völkerverständigung kann so einfach sein!
Auf meinem Weg lag die „Oase der Blauen Quelle“. Hier wollte ich nun endlich mal ein Päuschen machen, denn die Fahrt war doch recht anstrengend. Sehr schön gelegen und mit während der französischen Zeit angelegtem Schwimmbad, kommt das Wasser aus einer Berghöhle. Überall wachsen Palmen; ein Junge kommt auf einem Esel reitend und Frauen wuschen die Wäsche im kleinen Fluss. Man könnte fast meinen, man hätte das für die Touristen so arrangiert, aber es ist das wahre und sicherlich recht harte Leben der Bewohner dieser Oase. Ein paar Touristenstände und einen Campingplatz gibt es natürlich auch, aber der Rest ist authentisch. Leider auch mit dem Müll, der jede Siedlung in Afrika immer schon, bevor man die Häuser sieht, ankündigt.
Mein Ziel für heute war Merzouga, ein kleinen Ort, der durch die Touristen stark verwestlich ist. Aber hier sind die ersten richtigen Sanddünen der Sahara, und diese wollte ich auf der Afrikareise nicht missen. Und so erreichte ich kurz vor Sonnenuntergang den Ort, wurde auf Deutsch von einem Motorradfahrer angesprochen und ließ mich auf sein Angebot ein zu seinem Campingplatz zu fahren. Und so stand ich dann direkt vor den großen Dünen und genoss den Sonnenuntergang und das Farbspiel der Sonne im Sand.
11. Januar 2017, 17. Tag, Merzouga, km 5477
Heute hatte der Trabi eine Pause, und ich bin auf zwei andere Gefährte umgestiegen, die der Umgebung durchaus besser angepasst sind als der 601 Long Distance. Den Morgen begann ich erst einmal mit ein wenig Lesen in der Sonne und einem Kaffee dazu. Dann, gegen 11:00 Uhr stieg ich um in einen Landrover Defender. Ich war der einzige Kunde, und so hatten mein Fahrer und ich viel Zeit. Trotz einiger Sprachschwierigkeiten (er sprach französisch) hatten wir einen lustigen Tag.
Der Landrover war erstaunlich klapprig, was allerdings bei einer Laufleistung von fast 600.000 km und der Belastung im Gelände zu verzeihen sei. Es ging zunächst über vulkanische Geröllebenen, vorbei an den schönen Sandbergen, dann aber mit viel Schwung hinein in die Dünen. Für mich war es meine wirklich erst Offroad-Erfahrung. Und wir hatten beide Spaß daran, den Landy ein wenig zu fordern.
Auf der Westseite der Dünen ist eine vulkanisch geprägte Landschaft. Hier wurde bis vor ca. 30 Jahren in verschiedenen Minen Baryt, Quarz, Blei und Silber abgebaut. Wir hielten bei den Minen, kletterten hinein und fanden noch Reste des Abbaus sowie Gestein mit Blei und Silberanteil. Dann ging es weiter, vorbei an einem aufgegebenen Dorf, das nun nur noch vom Militär als Posten genutzt wird. Einzig die Moschee wird noch erhalten. Da es bis zur algerischen Grenze nicht weit war (ca. 20km), wird von dieser Anhöhe wohl die Umgebung überwacht. Genaues weiß man nicht oder habe ich nicht verstanden.
Weiter ging es über schier endlose vulkanische Geröllwüsten zu einem kleinen Hang, dem Rest eines Vulkans. Angeblich sollte es hier
Fossilien geben. Naja, ich war mal gespannt.
Wir stiegen aus, und ich stolperte quasi über den ersten Einschluss einer Schnecke im Gestein. Es war unglaublich, wie viele Fossilien von Meerestieren es hier in mehr als 700 Meter Höhe und ca. 600
km vom nächsten Meer entfernt zu finden gab. Und auch die runden „Kanonenkugeln“ des Lavaauswurfs lagen hier einfach so rum. Eine tolle Begegnung mit der Entstehungsgeschichte der Erde.
Danach fuhren wir noch an einem Nomadenzeltdorf vorbei und trafen plötzlich in dieser Einöde auf taubenähnliche Vögel, die im Geröll saßen. Mir war völlig schleierhaft, was sie dort machten, denn die Steine und den Sand werden sie wohl nicht fressen.
Zurück ging es dann durch ein ausgetrocknetes Flusstal, in dem die Kamele der Nomaden sich an dem wenigen Grün zu schaffen machten. Dann zurück zur Basis.
Am Abend, kurz vor Sonnenuntergang, bestieg ich mein zweites Gefährt, ein Kamel. Ein Ritt in die Dünen, um den Sonnenuntergang von dort aus zu genießen – eine echte Touristentour. Mit mir waren einige Franzosen, die erschreckend schlecht Englisch sprachen (ungefähr so wie ich französisch), die dann in dem Camp in den Dünen übernachten wollten. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass dies an diesem Abend wirklich ein Genuss war. Es hatte nämlich stark aufgefrischt, und ein wirklich heftiger Wind blies über die Dünen. Die Haut wurde richtig sandgestrahlt, und leider war auch vom Sonnenuntergang nicht viel zu sehen, denn die Sonne verschwand hinter einer Staubwolke.
12. Januar 2017, 18. Tag, Merzouga – El Kelaat, km 5477
Bevor ich Merzouga verließ, wollte ich erst einmal vor den Dünen ein paar schöne Bilder machen. Und so fuhr ich an eine Stelle, die ich mit dem Trabi noch gefahrlos erreichen konnte, dem Sand aber schon ganz nah war. Nach dem Fotoshooting, das übrigens gegenüber einem Automuseum (leider geschlossen) stattfand, ging es dann wieder Richtung Norden nach Erfoud. Schnell Geld mit der EC Karte aus dem Automaten geholt, und dann wurde getankt. Der ganze Motorraum war eine gelbe Staubschicht, aber der Tankwart freute sich dennoch. Selbst tanken ist übrigens wohl aus Sicherheitsgründen nicht erlaubt. Und bezahlt wird direkt beim Tankwart, der sich dann und wann auch schon mal bei der Herausgabe des Wechselgelds „verrechnet“.
Weiter ging es durch endlose Steinwüsten in Richtung Südwesten, um bei Tinghir in die Schlucht der Todra abzubiegen. Vorher kam ich jedoch zunächst in eine Polizeikontrolle, bei der es tatsächlich ein wenig Stress gab. Ich war an eine Kreuzung herangefahren mit einem Stoppschild. Fahrbahnmarkierungen gab es nicht, und so hielt ich an der Sichtlinie. Den Polizisten konnte ich sehen und als alles frei war, fuhr ich los. Sodann winkte er mich raus. Mein „Vergehen“: Ich hätte am Stoppschild schon halten müssen. Ich erklärte ihm mein Verhalten, zeigte mich aber einsichtig. So beließ er es bei einer mündlichen Verwarnung, und ich konnte unbehelligt weiterfahren.
Die Schlucht von Todra, die an der schmalsten Stelle nur 15 Meter breit ist und die Felswände dafür bis zu 300 Meter ansteigen, ist eine der Touristenattraktionen von Marokko. Just vor mir waren zwei Busse mit Japanern angekommen, die ich erst mal passieren ließ. Ich fuhr durch die Schlucht und parkte am oberen Eingang, um dann durch die Schlucht noch einmal zu gehen. Einige Marktstände nehmen zwar der Natur ein wenig den Charme, aber die Dimensionen sind schon beeindruckend.
Am Parkplatz traf ich dann erstmalig nach langer Zeit auf Deutsche. Eine Gruppe von 5 Fahrzeugen (primär Mercedes 407) hatte sich dort eingefunden. Es handelte sich um „Lebenskünstler“, die drei Monate durch Marokko tourten und noch bis Mauretanien wollten. Sie gaben mir ein paar Tipps für Sehenswürdigkeiten und bessere Fährverbindungen über die Straße von Gibraltar, bevor ich weiterfuhr in Richtung Marrakesch.
Am Abend kehrte ich in ein Hotel ein, das in einem traditionellen Lehmgebäude oberhalb des Flusses Qued Mgoun errichtet wurde. Ich bekam ein sehr schönes Zimmer mit einem tollen Ausblick auf den Fluss. Nur aus dem Fenster steigen durfte ich nicht, denn dahinter ging es steil den Berg hinunter ins Flusstal.
13. Januar 2017, 19. Tag, El Kelaat – Marrakesch, km 5796
Es ging gut los an diesem Tag, mit einem Frühstück auf der Terrasse des Hotels hoch über dem Fluss. Die Vögel zwitscherten, und es war schlecht vorstellbar, dass in Deutschland gerade ein Schneesturm wütete. Dann ging es auf die Piste. Bis nach Marrakesch sollte es gehen, und dazwischen lag ja noch das Atlasgebirge.
Der Trabi lief wirklich rund, und so machte ich gut Kilometer. In Quarzazate hatte ich meinen ersten Tankstopp. Dabei ist zu bemerken, dass ich wieder einen Verbrauch von gut 7,2 Litern erreicht hatte. Es war somit alles in der Norm. Gleichzeitig erreichte ich hier den südlichsten Punkt meiner Reise auf 30° 55’Nord (die Fährplate liegt auf 53° 16’Nord). Am Ortsausgang kam ich dann an den Filmstudios vorbei. Nun wird jeder etwas lachen müssen, denn was ist schon besonders an einem Filmstudio in Marokko? Nichts, außer dass so bekannte Filme wie „Gladiator“, „Das Jesus Video“, „Die Päpstin“ oder „Der Medicus“ hier und in der Umgebung entstanden sind. Einer der berühmtesten Drehorte ist die Kasbah Ben Haddou, die inzwischen auch unter UNESCO Schutz steht und aus dem Mittelalter stammt. Sie sollte mein nächstes Ziel sein.
Mein Navi fragt mich zunächst, ob ich auch unbefestigte Straßen befahren möchte. Nein! Und so stellte ich es dann so ein. Es empfahl mir dann, sofort hinter den Filmstudios abzubiegen. Da gab es aber keine Straße. So folgte ich der Hauptstraße und plötzlich konnte ich rechts ab der Ausschilderung nach Ben Haddou folgen. Eine neue geteerte Straße zog sich durch die Hügel und endete direkt im neuen Ben Haddou, wo auch schon viele Reisebusse und Händler warteten. Ich parkte mein Auto vor dem Laden eines Händlers, der mich auf Deutsch ansprach. Mir war klar, dass ich nach meinem Besuch der Kasbah etwas in seinem Laden kaufen müsste. Mir war aber auch klar, dass er auf mein Auto aufpassen würde. Dann ging es zu Fuß über den Fluss zur Kasbah. Eine neu gebaute Brücke erleichterte den Zugang. Bis vor kurzem war nur der Weg durch den Fluss möglich. Dabei musste man von Stein zu Stein springen, um keine nassen Füße zu bekommen.
Die Kasbah ist vollkommen aus Lehm gebaut und besteht teilweise aus vierstöckige Gebäude. Ich konnte ein Haus von innen besichtigen. Kaum vorstellbar, dass auf dem Land noch viele Marokkaner in solchen Gebäuden leben. Sehr dunkel und natürlich durch den Lehm immer staubig. Ich ging auf die Dachterrasse des Gebäudes und merkte, wie der Boden unter meinen Füßen sich bewegte - War ich doch gerade im vierten Stock…
Danach ging ich zurück zum Trabi, kaufte bei meinem Aufpasser ein wenig ein und setzte meine Fahrt fort nach Marrakesch. Das Navi
sagte für knapp 160km satte 4 Stunden an; konnte das wirklich stimmen?
Es ging recht schnell zur Sache, denn die Straße wurde deutlich schmaler, deutlich schlechter und auch deutlich steiler. Nennenswerter Verkehr war nicht mehr zu verzeichnen, obwohl es sich um eine
der Hauptstraßen in den Süden Marokkos handelt. Und dann ging es plötzlich richtig zur Sache. 2. Gang rein, Vollgas, und die Tachonadel pendelte sich bei ca. 30 km/h ein. Ich erreichte den Pass von
Tichka mit einer Höhe von 2260 Metern. Mein zweithöchster Pass mit dem Trabant, denn nur der Pass Port d’Envalira in Andorra war höher, damals allerdings ohne Anhänger.
Ab jetzt wurde die Straße deutlich besser, denn ein frisch ausgebautes Stück kam auf der Nordseite als nächstes. Es war dennoch sehr kurvig und ging eigentlich nie mehr als 200 Meter geradeaus. Schnell hörte auch die gute Straße wieder auf, und es ging weiter ins Tal. Waren der Anstieg von Quarzazate (auf 1150 Meter) zum Pass nur gut 1100 Meter Höhendifferenz, ging es nun auf 450 Meter runter. Und alle Trabifahrer wissen, wie groß die Trommelbremsen wirklich sind.
Ich erreichte die Ebene von Marrakesch dann nach über 3 Stunden Bergpassage und freute mich, einfach mal geradeaus zu fahren. Das Navi sollte mich zum Flughafen lotsen, denn Björn sollte um 17:20 Uhr landen. Bislang lag ich noch gut in der Zeit, bis ich plötzlich mitten in der Altstadt war. Das Navi hatte sich „verfahren“. Ein „freundlicher“ Motorradfahrer nahm sich meiner an und fuhr nun als Scout voraus, natürlich nicht ganz uneigennützig. In dieser Situation war es aber meine Rettung, denn die kleinen Straßen, durch die ich fuhr, zeigte mein Navi überhaupt nicht mehr an. Wir kamen durch gesperrte Tordurchfahren, an denen Polizisten wachten (interessierte aber keinen) und erreichten schließlich den Flughafen. Hier konnte ich zunächst Björn wohlbehalten einsammeln, bevor ich aufgrund meiner Erfahrung den „Scout“ bat, uns auch zum Hotel zu lotsen, was er natürlich gerne tat. Es war zum Schluss zwar teuer, aber anders wäre ich wahrscheinlich nie angekommen. „Welcome to Africa“.
Das Hotel lag keine 3 Gehminuten vom zentralen Platz entfernt, und so beendeten Björn und ich den Tag mit einem Bummel über den Souk und ein Essen abseits der Touristenrestaurants (12 Euro für uns beide).
14. Januar 2017, 18. Tag, Marrakesch, km 6130
Der Tag begann mit einem recht zugigen Frühstück auf der Dachterrasse des Hotels, immerhin mit direktem Blick auf den Turm der Koutoubia Moschee aus dem Jahre 1158, dem Wahrzeichen der Stadt und sogar des Landes (wir hatten quasi den Adlon-Blick aufs Brandenburger Tor). Recht trockenes Gebäck und vom Ober großzügig auch auf Tisch und Hose verteilter Milchkaffee sicherten uns einen guten Start in den Tag. Derweil kam der Trabant auf einem bewachten Parkplatz gleich um die Ecke zu einem verdienten Ruhetag. Bei noch diesigem Wetter starteten wir unseren Rundgang durch die Stadt in einem gegenüberliegenden Park. An den Bäumen hängende reife Apfelsinen und ein zunehmend aufklarender Himmel weckten unsere Entdeckerlust. Während Björn jeden zufällig herumstehenden Golf 2 in allen Zuständen fotografierte, konzentrierte ich mich eher auf die baulichen Sehenswürdigkeiten der unglaublich quirligen Stadt.
Ein Rundgang durch enge Gassen und Souks (die kleinen verwinkelten Märkte) ließ uns schließlich auf einen der zahlreichen Händler und „Schlepper“ stoßen, der uns den örtlichen Ledermarkt empfahl und uns dann durch ein immer enger werdendes Gassengewirr lotste. Am Eingang zu einem Hinterhof wurde uns dann die „marrokanische Gasmaske“, ein Bündel frischer Pfefferminze, überreicht, bevor wir das unüberschaubare Gewirr des Gerberviertels von Marrakesch betraten. In den Boden eingelassene Tröge reihten sich eng aneinander, jeder davon mit Substanzen gefüllt, die für die verschiedenen Gerbschritte zur Produktion von Leder notwendig sind. Kalk, Ammoniak (gewonnen aus Taubenkot), schließlich Gewürze (z.B. Safran oder Zimt) als Farbstoffe, alles „Natur pur“, wie unser Guide betonte. Eindrucksvoll der Blick von oben in das Gewirr der nicht eben nach Nelken duftenden Bassins. Einblicke in finstere Gelasse ließen den Blick auf hart arbeitende Männer frei werden, die mit Messern die Tierhäute von Haaren befreiten und streckten. Mit gekrümmtem Rücken eine unvorstellbar schwere Arbeit.
Durch pures Glück und die Ansprache des „richtigen“ Scouts waren wir in die Kooperative der Gerber aus dem Atlas-Gebirge gekommen,
die den dortigen Berberfamilien entstammten.
Und so endete – durchaus vorhersehbar – die Tour auch in dem sehr aufgeräumten und ansprechend dekorierten Laden der Genossenschaft, in dem uns ein freundlicher, aber geschäftstüchtiger
Fachverkäufer in Sachen Taschen und Gürtel beriet - nach Art der Berber aus Kamelleder und mit Öl imprägniert ziemlich unkaputtbar: „A bag for a lifetime!“ Und so bereicherte sich der Souvenirfundus
um einige nicht ganz niedrigpreisige Erzeugnisse, die in Europa dennoch ein Vielfaches gekostet hätten.
Nach Verlassen des Ladens erschienen ganz „zufällig“ nacheinander sämtliche Scouts der vorherigen Stationen…eine Wertschöpfungskette marrokanischer Art.
Nachdem wir das Gerberviertel verlassen hatten, ließen wir uns durch die Stadt treiben, umrundeten den Königspalast, erhielten
Komplimente zum deutschen Fußball und beobachteten schließlich das chaotische Verkehrstreiben. Fuhrwerke, Menschen und Autos, bunt gemischt, dominiert von der Taxifarbe „hell-lachs“, die sich zumeist
auf Dacia-Fahrzeugen und nicht wenigen Mercedes W123 und 124 wiederfand.
Erschöpft von diesen Eindrücken entschieden wir uns, den Abend im Hotel zu verbringen und mit einem Abendessen auf der Dachterrasse zu krönen.
Unser Fazit von Marrakesch: Wenn man es schafft, nur wenige Schritte aus dem Touristenzentrum zu entfliehen, ist Marrakesch eine unglaublich interessante Stadt. Und auch die Preise und die Qualität der Waren verbessern sich schlagartig. Unser Mittagessen, zwei sattmachende Panini, hat übrigens €3,50 gekostet, für beide zusammen.