31. Dezember 2016, 6. Tag, Palermo - Tunis, km 2802
Die zweite Etappe begann im Hafen von Palermo mit der Fähre nach Tunis. Und allein das Boarden der Fähre ist eine Geschichte wert.
Die Fähre sollte um 12:00 Uhr ablegen, und von uns wurde verlangt, mindestens 180 Minuten, also 3 Stunden, vor Abfahrt vor Ort zu sein. So fuhren wir in die Stadt und zum Hafen und mussten ein erstes Mal unseren Pass und die Fährtickets der Guadia di Finanza (Zoll) vorzeigen. Man schickte uns am Kreisverkehr links und wir fuhren, nach einer weiteren Kontrolle, zu einem Ticketschalter. Es wurde wild davor irgendwie geparkt, und als wir an der Reihen waren, wurde uns mitgeteilt, dass es die falsche Fährgesellschaft sei. Der Zollbeamte meinte wohl das andere links, denn wir hätten rechts abbiegen müssen.
Den Fährschalter von Grimaldi Lines (unserer Fährgesellschaft) fand Stephan durch Zufall, denn wir hatten das Auto einfach mal dort geparkt, wo die bepacktesten Autos zu sehen waren. Wir bekamen die eigentlichen Fährtickets und fuhren dann auf den Kai zur Fähre. Diese war übrigens noch nicht da, womit auch klar war, dass es sich um italienische Pünktlichkeit handelte. In drei Reihen standen gut 30 Autos, und ein Herr in zivil suchte eher zufällig den einen oder anderen heraus, um sich die Reisedokumente und das Gepäck zeigen zu lassen. Ein Blick in unseren Anhänger, der typisch deutsch strukturiert war, reichte, um uns in Richtung Passkontrolle zu schicken. Also rückwärts raus (mit Anhänger) aus der Schlange und los ging es zum Passhäuschen.
Natürlich konnte der Beamte (immerhin in Uniform) kein Englisch, und natürlich glich er den Pass nur mit einer Papierliste ab. So
passierten wir die gut bewachte EU Außengrenze Süd. Eine neue Schlange direkt an der Rampe zum inzwischen eingetroffenen Fährschiff „Catania“ war der nächste Stopp. Dort kamen nach einiger Zeit zwei
Personen in zivil, die unsere Pässe sehen wollten. Sie sprachen kaum englisch und übertrugen kompliziert unsere Daten auf einen weiteren Zettel. Soweit wir sehen konnten, handelte es sich wohl um die
italienische Terrorabwehr, da fühlt man sich gleich sicher.
Zu erwähnen ist übrigens, dass beim Entladen und späteren Beladen mit LKW-Trailern jedermann zu jeder Zeit ohne die sichere Prozedur der Passkontrolle von oder an Board hätte gehen können. Zur
Erinnerung: Das ist die EU-Außengrenze Süd.
Um 12:00 Uhr durften wir endlich an Bord und wurden davon überrascht, dass schon auf allen Gängen und Fluren Teppiche und Matratzen lagen. Die meisten Tunesier - und es waren fast ausschließlich Tunesier an Bord - machten es sich sofort auf dem Boden gemütlich. Einige wuschen sich zunächst, um zu beten, bevor sie sich zu Ruhe legten. 10 Stunden Fahrt lagen vor uns.
Die Überfahrt war dann doch recht lang und die 10 Stunden wollten nicht vergehen. Doch schließlich trafen sich einige tunesische Männer, holten eine Trommel und einen afrikanischen Dudelsack heraus und machten richtig Stimmung. Es wurde getanzt, gesungen, gelacht und nach kürzester Zeit war das halbe Schiff versammelt. Keine Inszenierung, einfach nur Lebensfreude.
Wir erreichten Tunis gegen 23:00 Uhr, und plötzlich ging alles ganz schnell. Rein ins
Auto und runter vom Schiff. Alle wollten möglichst weit vorn beim Zoll stehen, um ggf. schneller fertig zu werden. Drängeln war also Pflicht und nicht die Kür.
Zunächst ging es in die Passkontrolle. Die erforderlichen Einreisepapiere hatten wir gewissenhaft auf der Fähre ausgefüllt, womit wir sicherlich die einzigen waren. Die Beamten waren freundlich und
sehr an unserem Auto interessiert, so dass wir diese „Hürde“ nach gut 20 Minuten meisterten. Dann ging es irgendwie zum Zoll, indem wir den anderen Autos hinterher fuhren. In mehreren Schlangen
aufgereiht, fingen dort die Tunesier an, ihre kompletten Autos zu entladen, und man kann sich vorstellen, wie die Abfertigungshalle nach kurzer Zeit aussah. Wir verhielten uns erst mal ruhig und
warteten ab. Irgendwann drückte uns jemand ein Formular in die Hand. Es war für das Auto und immerhin in Französisch und Arabisch.
Ein weiterer DIN A4-Zettel wurde uns gereicht, den wir auszufüllen hatten. Hier sollten wir alles angeben, was wir im Auto hatten.
Sicherheitshalber war dieser Zettel nur auf Arabisch, so dass wir beschlossen, ihn konsequent in Englisch auszufüllen.
Nach einer Weile bat uns ein Zöllner (1 Stern auf der Schulterklappe) im Vorbeigehen, den Anhänger zu öffnen. Eine Kontrolle erfolgte aber nicht, denn das war eher zufällig in der Schlange. Man
kontrollierte mal am Anfang, mal am Ende und wir standen leider in der Mitte. Wieder im Vorbeigehen wurde ich gebeten (3 Sterne auf der Schulterklappe) das Dachzelt aufzubauen. Stephan war in der
Zwischenzeit losgelaufen, um Geld zu wechseln, denn wir hatten mitbekommen, dass man einer Einfahrmarke kaufen musste. Es erfolgte dann durch einen Zollbeamten (ein Stern) die Kontrolle. Er half uns
den arabischen Zettel ein wenig mit Passnummer und Namen zu ergänzen, und dann folgte seine Unterschrift. Ein paar Minuten später kam der 3-Stern-Beamte, ließ sich das Dachzelt und den Anhänger
zeigen, zeichnete den gleichen Zettel gegen, und damit hatten wir anscheinend die Kontrolle bestanden. Ich wurde dann vom 1-Stern zu einer Hütte an der Ausfahrt der Schlange geführt (natürlich nicht
am Ende unsere Schlange sondern zwei Häuschen daneben) und musste mich erneut anstellen. Hier wurde das Auto in den Pass eingetragen, und auch der Anhänger kam handschriftlich dazu. Auf der anderen
Seite des Häuschens kaufte ich dann noch die besagte Marke für 30 Dinar, zusammen mit einem weiteren Formular, für das nun meine Fahrzeugdaten erstmalig in einen Computer eingegeben wurden. Stempel
drauf (natürlich wieder auf der anderen Seite des Häuschen) und schon waren wir, wie durch ein Wunder, nach 2 Stunden fertig. Es folgte das Ausscheren aus der Reihe (nicht alle waren schon fertig),
zwei weitere visuelle Kontrollen unserer Papiere und das Einsammeln derselben, so dass wir mit den Stempeln im Pass und dem Computerzettel den Zollbereich verlassen konnten.
Um 2:00 erreichten wir das Hotel und haben zunächst einmal auf das Neue Jahr angestoßen.
01. Januar 2017, 7. Tag, Tunis, km 2814
Tunis – Wie groß die Stadt war, wurde uns nach dem Aufstehen bewusst, als wir aus unserem Zimmer im sechsten Stock unseres Hotels
einen fabelhaften Ausblick über die Stadt bei strahlend blauem Himmel genießen konnten. Da die vergangene Nacht sehr kurz war und wir entsprechend lange geschlafen hatten, sind wir schnell noch zum
Frühstück runter, bevor wir uns für unsere Sightseeing-Tour fertiggemacht hatten.
Gegen 10:30 haben wir dann das Hotel verlassen, wo wir bereits nach wenigen Metern von einem netten Hotelmitarbeiter eingeholt wurden, der nach seiner Schicht auf dem Weg nach Hause war. Er sprach
fließend Deutsch, da er 1974 die Hotelfachschule in Heidelberg besucht hat. So kamen wir in den Genuss einer wirklich sehr interessanten „kostenlosen“ Stadtführung, bis wir im Laden seines Schwagers
(?) landeten. Hier sollten wir uns mit Huile de citron eindecken, um den Moskitos in Algerien entgegenzuwirken, die ihn in seiner Zeit in Algerien schwer belästigt hätten. Für einen „super“ Preis
konnten wir eigentlich nicht nein sagen. Nein sagen war sowieso nicht mehr drin, da wir den Kaffee schon ausgetrunken und die Fläschchen abgefüllt und verpackt waren. Eigentlich waren wir wegen genau
dieser typischen Touri-Fallen nicht in dieses wunderschöne Land gereist. Als wir uns von unserem Stadtführer gegen ein weiteres, schwer verhandeltes Entgelt, endlich verabschieden konnten, legte sich
der Ärger recht schnell.
Gut so, denn nun waren wir im Büro eines niederländischen Geschäftsmannes mit tunesischen Wurzeln, den wir tags zuvor auf der Fähre kennengelernt hatten, verabredet. Nach einer kurzen Begrüßung wurde uns eine seiner Mitarbeiterin zur Seite gestellt, die uns die schönen Seiten der Stadt zeigen sollten. Wir ahnten schon wieder Schlimmes, aber konnten uns nicht vorstellen, uns so in unserer Menschenkenntnis zu täuschen. Und wir wurden nicht enttäuscht; Seine Mitarbeiterin führte uns durch die Medina, ohne Probleme ging es an allen Händlern im Souk vorbei, bis wir schließlich auf der Dachterrasse eines Teppichhändlers landeten. Von hier oben hatten wir einen einmaligen Ausblick über das alte Tunis. Auf dem Weg nach unten fragten wir uns schon, wie wir die nun zu kaufenden Teppiche im oder auf dem HP350 unterbringen sollten, aber auch hier klärte ein kurzer Wortwechsel unserer Führerin auf Arabisch die Situation, und schon ging unsere Stadtführung weiter.
Nach einigen Stunden schmerzten unsere Füße und – nachdem wir uns mit den beiden noch zum Abendessen verabredet hatten – sind wir zurück ins Hotel: Füße ausruhen, Eindrücke verarbeiten, Fotos sortieren, Reisebericht schreiben. Um 19:00 ging es dann wieder los. Wir wollten die beiden als Dankeschön zum Essen einladen, und so, wie wir es uns gewünscht hatten, suchten sie das Restaurant aus, in dem sonst nur Einheimische essen. Nach dem üppigen und leckeren 4-Gänge-Menü kam die Rechnung: Umgerechnet 16,- EUR für die 4 Gänge! Für uns alle…
Satt und zufrieden machte sich jeder auf den Weg. Wir beide stolperten durch dunkle Seitengassen Richtung Hotel. Schlaglöcher, umgestürzte Poller und Müll machten den Weg im Dunkeln zum echten Abenteuer. Für die Katzen war der Schutz der Dunkelheit ein Geschenk, um in Ruhe in den Abfällen nach Essensresten zu suchen. Vorbei an vielen großen Gebäuden in Straßen, die wir zu Hause nachts nicht betreten würden, begegneten uns schwer bewaffnete Wachmänner. Sie wunderten sich aber eher über unseren Nachtspaziergang, als dass die Situation in irgendeiner Form bedrohlich gewirkt hätte.
2. Januar 2017, 8. Tag, Tunis - Tabarka, km 2821
Nach dem Frühstück sind wir zunächst in die Innenstadt zum Büro des niederländischen Geschäftsmanns Ben gelaufen, der sich freundlicherweise um die Auto-Versicherung kümmern wollte, die wir für Algerien abschließen müssen. Es stellt sich heraus, dass diese am einfachsten und günstigsten direkt an der Grenze zu kaufen sei. Danach wollten wir uns verabschieden, doch das war leichter gesagt, als getan. Sein komplettes Büro (sein 75-jähriger Geschäftspartner und die beiden Sekretärinnen) begleiteten uns die drei Kilometer zurück zum Hotel, weil sie unbedingt unser Auto sehen wollten, von dem Ben ihnen wohl seit unserem Treffen auf der Fähre erzählt haben muss. Unterwegs kauft Ben dann spontan aus dem Kofferraum eines an der Straße parkenden Wagens 5 Liter frisches Olivenöl, das seine Sekretärin bereitwillig für ihn trug. Am Hotel angekommen, machten wir dann noch einige Fotos, und auch das Hotelpersonal war nun nahezu vollständig auf der Straße angetreten. Ein Mitarbeiter vom Wachdienst zeigt uns dann noch ein Foto auf seinem Handy von unserem Trabant, neben dem ein Austin Mini stand. Es stellte sich heraus, dass er seinem Freund Bescheid gesagt hatte, und der war dann mit seinem Auto gekommen, um dieses Bild aufzunehmen.
Doch dann ging es los. Wir beschlossen, nicht über die Schnellstraße zu fahren, sondern durch die Stadt und über Land. Rein also ins Verkehrsgewühl von Tunis, und das ist mit europäischen Maßstäben nicht zu vergleichen. An einer der nächsten Tankstellen tankten wir für 66 ct/Liter erst mal voll und als wir Tunis verlassen hatten, wurde auch das Fahren deutlich entspannter. Die Straßen sind nicht sonderlich voll, und so ging es in Richtung Norden nach Bizerte.
Es war inzwischen Mittag geworden, und an einem Grill hielten wir an. Unser Auto bewirkte ein breites Grinsen auf allen Gesichtern, und so wurden wir sehr freundlich begrüßt. Es stellte sich heraus, dass auch dieser nette Herr 1974 an der Hotelfachschule in Deutschland war, wenn auch in Hamburg. Uns schwante Böses, aber unsere Bedenken zerstreuten sich schnell, und wir wurden entsprechend belohnt: Nachdem wir uns für Merguez Wurst entschieden hatten, wurde uns nach kurzer Zeit ein komplettes Menü mit Pommes, Salat und Brot gebracht. Es schmeckte alles vorzüglich, der Kellner wischte mindestens viermal den Tisch wieder sauber. Kinder beäugten unser Auto, und eine Cola aus einer Glasflasche rundete die Sache ab. Für dieses Erlebnis und den vollen Magen mussten wir zusammen umgerechnet 8,50 € bezahlen.
Es ging weiter Richtung Bizerte, das direkt am Meer mit Verbindung zu einer Lagune gelegen ist. Die eine oder andere Polizeikontrolle wurde von uns passiert; jedoch wurden wir nie behelligt. Der Verkehr an einer Brücke über die Verbindung zur Lagune war mehr als chaotisch, aber irgendwann waren wir auf der anderen Seite. Dann ging es in westlicher Richtung weiter, und wir umfuhren die Lagune nördlich. Die Strecke wurde bergiger und deutlich einsamer. Die Qualität der Straße hatte in Form von tiefen Löchern oder „Speed bumps“ so einige Überraschungen für uns parat. Dafür wurden wir von einer wunderschönen, nahezu baumlosen Landschaft überrascht, in die eingebettet immer wieder große Seen zum Vorschein kamen.
Kurz vor Tabarka fuhren wir wieder auf eine der Polizeikontrollen zu und dieses Mal mussten wir anhalten. Wir reichten unsere Pässe, und nachdem wir uns als Monsieur Frank und Monsieur Stephan vorgestellt hatten, wollten die bis an die Zähne bewaffneten Polizisten noch unseren Anhänger inspizieren. Es ist zu erwähnen, dass es in Tunesien anscheinend keine PKW-Anhänger gibt, und so war die Herren über den Kocher und die Ausstattung mehr als positiv überrascht. Als sie uns auf Französisch ein Frohes Neues Jahr wünschten, haben wir Ihnen Zigaretten angeboten. Wir fingen ein wenig an zu plaudern, und trotz der Maschinenpistole entstand eine gute Atmosphäre. Nach kurzer Zeit sind wir dann wieder eingestiegen. Doch dann wollte der eine Polizist noch was von uns: Er griff in seine Uniformjacke, holte eine Flasche Parfüm heraus und gab „eine Runde“ aus. Sowohl Stephan als auch ich erhielten einen Pumpspray auf den Handrücken. Wir versuchten uns eine ähnliche Szene in Deutschland vorzustellen und haben die restlichen Kilometer nach Tabarka eigentlich nur noch uns über diese Szene amüsieren können.
In Tabarka angekommen, konnten wir es uns vor einem Kamin in der Lobby gemütlich machen und unsere Reiseerlebnisse Revue passieren lassen. Was für ein schöner Tag, und morgen geht es nach Algerien, dem größten Land Afrikas.